Eigentlich wollte ich etwas über Horst Seehofer schreiben, über seinen Rücktritt, von dem er schließlich zurückgetreten ist, nachdem ihm die Kanzlerin den Vortritt gelassen hat. Der Artikel sollte heißen „Auferstanden als Ruine“ und war schon zur Hälfte fertig, als sich mir heute Morgen im Werbefernsehen ein Thema aufdrängte, das die Bedeutung der Causa Seehofer bei weitem in den Schatten stellt.
Es gibt ein Waschmittel namens „Weißer Riese Aromatherapie“!
Seit Jahren geht es durch alle Instanzen, dass Lebensmittel nur mit einer sehr begrenzten Zahl sogenannter „Health Claims“ beworben werden dürfen. Dies sind Aussagen, welche als sogenannte „gesundheitsbezogene Versprechen“ Lebensmitteln eine bestimmte positive Wirkung auf die Gesundheit ihrer Konsumenten beistellen. Die EU hat 2012 nach fünfjähriger Kleinstarbeit eine Liste mit 222 erlaubten Health Claims veröffentlicht, die seither gewissenhaft und gewiss nicht zu großzügig erweitert wird.
Kleine Kostprobe gefällig? Im Mai 2018 hat der BGH letztinstanzlich entschieden, dass noch nicht mal der Begriff „bekömmlich“ in einer Werbung für ein Bier erlaubt ist! Ich mag hier nicht ins Detail gehen – googeln Sie sich bei Interesse bitte selbständig durch die entsprechenden Paragraphen und Urteile. Aber holen Sie sich am besten vorher ein Bier, denn es könnte länger dauern.
Und jetzt? Die Saubermänner von Henkel erfinden ein Aromatherapie-Waschmittel! Ja, sind die noch ganz sauber? Und ich hatte bisher echt gedacht, duftendes Bügelwasser sei schon die Überflüssigkeit schlechthin und Staubsauger-Deo die Dekadenz im Endstadium, Zitat: „Mit [Staubsauger-Deo] ‚Entspannende Aloe‘ erleben Sie die aufhellende Stimmung eines Frühjahrsputzes.“ Also auf mich wirkt ein Frühjahrsputz ja genauso stimmungsaufhellend wie das Geschwätz von Horst Seehofer – aber ich gehöre da vermutlich schlicht nicht zur Zielgruppe, weder für das Eine noch für den Anderen.
Jetzt also Aromatherapie-Waschmittel. Hat also die Mutti bislang völlig entnervt die ganze Familie wieder und wieder zur Herausgabe der Dreckwäsche auffordern müssen, wird ihr das zwar auch fürderhin kaum erspart bleiben, aber doch wird sie es zukünftig voller Vorfreude tun, weil sie’s kaum mehr erwarten kann, endlich die nächste Dosis Weißer Riese zu schnüffeln. Die Wäsche wird, so steht’s in der Pressemitteilung, zu einem „fantastischen Aromatherapie-Erlebnis“. Herrje, da ist wohl ein ohnehin schon schlechter Werbetexter nochmal förmlich unter sich hinausgewachsen. Auch hier erspare ich Ihnen den Volltext – googeln Sie es gern selbst, wenn Sie möchten, aber stellen Sie sich am besten ein Gläschen Weißer Riese Aromatherapie parat, denn, Zitat: „Malaysische Orchidee & Sandelholz als Color Gel sowie Bali Lotus Blüte & Weiße Lilie als Universal Gel und Pulver umgeben die Wäsche mit einem einzigartigen Duft.“ Vielleicht haben sie aber auch bloß dem einen oder anderen Marketing-Fuzzie im Hause Henkel die Sinne benebelt.
Das Werbegeschwurbel liest sich jedenfalls bemüht verführerisch und ist dabei doch in etwa so glaubhaft wie Seehofers denkwürdige Beteuerung über sein Verhältnis zur Kanzlerin neulich bei Maischberger. Zitat: „Ich habe nicht das Empfinden, dass wir uns nicht mögen.“ Nee, is klar. Das sagt der Profikiller auch über sein Opfer, drückt dann aber trotzdem ab – Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps. Nach seinen jüngsten Anwandlungen würde ich nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass Hotte Seehofer (in Haarfarbe und Statur gleichsam der „Weiße Riese“ unter den Christsozialen) überhaupt ein Empfinden hat. Aber ich schweife ab.
Der Weiße Riese Aromatherapie? Zahlt den dann vielleicht die Krankenkasse? Und was kommt als nächstes? Ein Fernseher, der bei Szenen mit Horst Seehofer automatisch umschaltet? Das wäre sicher mindestens genauso stimmungsaufhellend wie Staubsauger-Deo. Oder eine Waschmaschine, die beim Schleudern zwar auch einen Höllenlärm macht, aber in der psychoakustischen Wirkung dem Obertongesang tibetanischer Mönche ähnelt? Oder ein Fahrradhelm mit innenliegenden Kopfmassage-Noppen? Oder ein Bier, das bekömmlich ist? Oh nein, ich vergaß – Letzeres ist ja gar nicht erlaubt.
P.S.: Nu hab ich, fällt mir post scriptum auf, ja doch auch über Seehofer geschrieben. Aber eben halt nicht in politischem Kontext, sondern vielmehr im Zusammenhang mit leeren Phrasen und Haushaltsgeräten, die einen Haufen Getöse verursachen. Und da passt der Herr Seehofer ja auch irgendwie dazu.